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Überraschung: Beim Kinderarzt gibt es kranke Kinder

und manchmal sind die auch gar nicht gut drauf, ist das zu glauben? Da geht man nichts ahnend an einem eiskaltem Nachmittag zu einem Kinderarzt, einfach mal so. Man setzt sich ins Wartezimmer und genießt den leichten Sonnenschein durch die Fenster. Das Kind hat man mit, es spielt mit den tollen Holzspielsachen oder blättert sich in aller Ruhe durch ein Buch. Alle Kinder benehmen sich, die Eltern grüßen freundlich und sprechen ansonsten gar nicht, um andere nicht zu stören. Schnell geht es voran, man ist im Behandlungszimmer, das Kind grüßt freundlich und lässt sich mucksmäuschenstill untersuchen, um dann glücklich mit einem Rezept in der Hand die Praxis zu verlassen und sofort gesund zu werden. Wer hier den Sarkasmus nicht erkennt, der hat keine Kinder.

Das Bärchen ist krank. Am Anfang war das Fieber da und ein bisschen Husten. Ein Tag zuhause und schon am nächsten Tag wollte sie wieder mit ihren Freunden spielen. Wir dachten, dass es schon viel besser wird, das Fieber war weg, der Husten sehr gering. Am Donnerstag kam ich von der Arbeit, das Bärchen schlief. Als sie aufwachte, hustete sie, weinte, schrie, wollte sich nicht anfassen lassen, ich kannte sie so nicht und es war ganz furchtbar. Also schnappte ich sie mir und lief zum Kinderarzt, gleich in der nächsten Straße. Dort angekommen schrie mein Kind immer noch. Sie sagte nein, nein. Ich konnte sie nicht in den Arm nehmen oder streicheln, sie wollte keine fremdbestimmte Berührung. Auf dem Stuhl sitzen ging gar nicht, auf dem Schoß auch nicht. Wir saßen beide auf dem Boden im Wartezimmer, sie weinte, mir liefen die Tränen runter. Ja, sie war laut. Ja, es war anstrengend. Ja, ich habe sie nicht beruhigt bekommen. Ja, ich wusste nicht mehr was ich tun sollte. Wir kamen relativ schnell ran, es stellte sich raus, dass das Bärchen durch eine Bronchitis und eine leichte Lungenentzündung kaum Luft bekommen hat. Das konnte sie nicht ausdrücken und schrie halt auch im Behandlungszimmer noch und wehrte sich gegen eine Untersuchung, sehr verzweifelt. Wir bekamen ein Mittel zum Inhalieren, inhalierten unter lautstarkem Protest in der Praxis und danach wurde es ruhiger und besser. Sie konnte wieder atmen und wir konnten nach Hause, mit der strikten Anweisung, wenn es nochmal zu so einer Atemnot kommt, müssen wir in die Klinik. Die ganze Nacht hielt ich die Hand meiner Tochter, die gepackte Tasche stand im Flur. Die Nacht war unruhig aber okay. Heute gab die Ärztin vorerst Entwarnung. Medikamente, Ruhe, Inhalieren, aber alles zuhause. Ihr geht es viel besser.

Das war selbstverständlich ein furchtbarer Moment für das Bärchen, aber auch für mich. Selten habe ich mich so hilflos gefühlt, wie in diesem Wartezimmer. Ich wusste nicht was ihr fehlt, wusste nicht, was ich tun soll, konnte sie nicht beruhigen und war genauso verzweifelt wie sie, die sie mir nicht klar machen konnte, was ihr fehlt.

Das Ganze hätte schlimm enden können. Ist es aber nicht. Und ich bin zum Glück nicht der Mensch für „was wäre wenn  gewesen“. Aber eine Sache beschäftigt mich im Nachhinein sehr und das würde ich gerne niederschreiben, damit es aufhört mich zu beschäftigen:

„An die Mutter im Wartezimmer,

liebe Frau, ich kenne Sie nicht. Ich habe Sie im Wartezimmer gesehen, Sie waren da mit Ihrem Mann, Ihrem Baby und Ihrer Tochter, die allem Anschein nach krank war, wimmerte und im Arm Ihres Mannes auch mal laut weinte. Ihre Tochter war etwas älter als meine und hatte wohl Fieber, sie war sehr schwach, Ihr Mann konnte sie aber ganz gut beruhigen. Die Kleine tat mir leid. Ich saß auf dem Boden, meine Tochter lehnte sich leicht an mich, schrie, war unruhig, weinte laut. Sie haben sich neben mich gesetzt und sahen, wie verzweifelt mein Kind und ich waren. Sie sahen meine Beruhigungsversuche und meine Tränen. Sie merkten, dass die anderen Mütter und Väter mich anlächelten, mir Mut und meiner Tochter gute Besserung zusprachen und mir eine Mutter ein Taschentuch für meine Tränen reichte. Mein Kind war laut, das weiß ich. Es tut mir Leid, dass ich sie nicht beruhigen konnte, dass sie schrie und weinte. Sie haben gesehen, wie sehr sie sich gewehrt hat, als ich versuchte sie zu streicheln oder ihr etwas vor zu summen. Ich bin für gegenseitige Rücksichtnahme und versuche dies auch stets, auch habe ich sehr wohl gemerkt, dass das Verhalten meiner Tochter die anderen Kinder verunsichert hat. Wir waren nicht lange im Wartezimmer, verständlicherweise wurden wir vorgezogen. In meinem Leben habe ich mich schon öfter als schlechte Mutter gefühlt, in diesem Wartezimmer auch. Aber noch nie habe ich mich so als furchtbare Mutter gefühlt, wie in diesem Moment, in dem Sie mich und meine Tochter angesehen haben, Ihre Nase verächtlich hochzogen und laut zu Ihrem Mann sagten, dass Sie jetzt auch noch Kopfschmerzen bekommen. Den Zusatz wegen diesem Geschrei/Kind/unfähiger Mutter haben Sie sich zwar gespart, aber Ihr Blick, der klar auf mich ging, sagte alles. Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, dass Sie Kopfschmerzen davon bekommen haben, dass meine Tochter fast keine Luft mehr bekommen hat. Davon, dass meine Tochter vor Atemnot, Angst und Verzweiflung schrie. Es tut mir Leid und ich hoffe, dass Sie niemals in eine solche Situation kommen. Und wenn es passieren sollte, dass Sie weinend neben Ihrem brüllendem Kind stehen, dass krank ist und Sie nicht wissen, was es hat oder wie Sie ihm helfen können, dann hoffe ich für Sie, dass Sie niemand verächtlich ansieht und Kopfschmerzen von Ihrem Kind bekommt. „

Entschuldigt bitte, dass es heute etwas länger geworden ist und sich vieles doppelt, aber ich habe selten so viel Egoismus und Ignoranz erlebt. Ich habe übrigens nichts gesagt, sondern mir mein Kind genommen und sie trotz extremer Proteste mit zur Anmeldung genommen und dort noch kurz gewartet. Während mein Kind mir ins Ohr weinte und schrie.

2 Kommentare zu „Überraschung: Beim Kinderarzt gibt es kranke Kinder

  1. Ohje, dass kann ich gut nachvollziehen . Meiner kleinen Tochter ging es ähnlich und dann noch sowas. Ich wünsche dem Mäulchen gute Besserung und du bist eine gute Mutter. LG Ulrike

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